Wenn Krankheit oder Unfall dazu führen, dass Sie Ihren Beruf nicht mehr wie gewohnt ausüben können, springt die Erwerbsminderungsrente ein. Doch wer hat Anspruch und wie hoch fällt die Rente aus? Wir erklären die wichtigsten Voraussetzungen, geben Tipps zur Antragstellung und zeigen, wie Sie die Höhe der Erwerbsminderungsrente berechnen.
Was ist eine Erwerbsminderungsrente?
Die Erwerbsminderungsrente (EM-Rente) ist eine gesetzliche Leistung der Deutschen Rentenversicherung für Menschen, die wegen Krankheit, Unfall oder Behinderung nicht mehr oder nur noch eingeschränkt arbeiten können. Sie wird ausgezahlt, wenn Rehabilitationsmaßnahmen nicht ausreichen und die betroffene Person das Regelrenteneintrittsalter noch nicht erreicht hat. Die Leistung soll Einkommensverluste abmildern, ersetzt aber in vielen Fällen nur einen Teil des bisherigen Nettoverdienstes. Das ist einer der größten Nachteile der Erwerbsminderungsrente.
Rechtsgrundlagen und die grundlegende Berechnungsformel sind im Sozialgesetzbuch (SGB) VI verankert. Historisch geht die Erwerbsminderungsrente auf die Sozialgesetzgebung Bismarcks zurück, die heutige Form existiert seit 2001. Die Anspruchsvoraussetzungen wurden präzisiert und mehr auf eine Reintegration in den Arbeitsmarkt ausgerichtet. So wird unter anderem medizinisch genau geprüft, wie viele Stunden täglich Betroffene noch arbeiten können.
Anspruch und Voraussetzungen für eine Erwerbsminderungsrente
Damit Sie einen Anspruch auf Erwerbsminderungsrente geltend machen können, müssen sowohl versicherungsrechtliche als auch medizinische Voraussetzungen erfüllt sein.
Versicherungsrechtlich gilt
- Sie müssen mindestens fünf Jahre in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert gewesen sein; man spricht hier von der sogenannten allgemeinen Wartezeit.
- dass Sie zusätzlich innerhalb der letzten fünf Jahre vor Eintritt der Erwerbsminderung mindestens drei Jahre lang Pflichtbeiträge eingezahlt haben. (Pflichtbeiträge bedeutet: freiwillige Beiträge zählen nicht, es gelten nur Einzahlungen als Arbeitnehmer oder indirekt durch den Bezug von Arbeitslosengeld oder ähnliche Pflichtverhältnisse, z.B. Elterngeld oder Krankengeld.)
Medizinisch prüft die Rentenversicherung, mithilfe ärztlicher Befunde und Gutachten, ob die Erwerbsfähigkeit tatsächlich so eingeschränkt ist, dass die Zahlung gerechtfertigt ist. Außerdem müssen vor einer Bewilligung erfolgversprechende Rehamaßnahmen zur Widererlangung der Arbeitsfähigkeit versucht worden sein.
In bestimmten Fällen gelten Sonderregelungen, weshalb sich eine individuelle Prüfung fast immer lohnt. Zu den Sonderfällen zählen:
- Wer schon vor dem Erreichen der allgemeinen 5-Jahres-Wartezeit voll und dauerhaft erwerbsgemindert war, kann Anspruch auf eine Wartezeit von 20 Jahren haben. Die Regel schützt jene, die nie eine Chance hatten, die 5 Jahre zu erreichen.
- Zeiten in Werkstätten für behinderte Menschen oder ähnlichen Einrichtungen lassen sich bei der Versicherungsdauer berücksichtigen.
- Bei frühem Eintritt der Erwerbsminderung werden fiktive Zeiten (Zurechnungszeiten) angerechnet, die bei der Rentenberechnung als zusätzliche Entgeltpunkte wirken.
- Kindererziehungszeiten gelten als Berücksichtigungszeiten und können Anspruch und Rentenhöhe positiv beeinflussen, in der Regel bis zum 10. Lebensjahr des Kindes.
- Auch nicht erwerbsmäßig geleistete Pflege bestimmter Angehöriger lässt sich als Berücksichtigungs- oder Beitragszeit geltend machen.
- Zeiten mit Leistungsbezug von z. B. Arbeitslosengeld oder Krankengeld werden unter bestimmten Bedingungen auf die Versicherungszeiten angerechnet.
- Die Bewilligung von Erwerbsminderungsrenten erfolgt oft zunächst befristet. Bei anhaltender Leistungseinschränkung kann sie später unbefristet erfolgen.

Erwerbsminderung und Berufsunfähigkeit – das ist der Unterschied
Die Begriffe Erwerbsminderung und Berufsunfähigkeit werden häufig verwechselt, sie haben aber unterschiedliche Bedeutungen. Die Erwerbsminderung ist eine gesetzliche Kategorie und beurteilt, ob jemand noch irgendeine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausüben kann. Dabei zählen die Stunden, die täglich zumutbar sind.
Die Berufsunfähigkeit ist dagegen ein Begriff aus privaten Verträgen. So wird bei einer privaten Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) geprüft, ob Sie Ihren zuletzt ausgeübten Beruf in der bisherigen konkreten Form noch ausüben können. Ist dies voraussichtlich dauerhaft zu weniger als 50 Prozent möglich, sind Sie berufsunfähig – und die Versicherung zahlt, sofern der Vertrag keine abweichenden Regelungen enthält. Sie können also gesetzlich noch als (teil-)erwerbsfähig eingestuft werden, gleichzeitig aber aus Sicht einer privaten BU-Leistung bezugsberechtigt sein – oder umgekehrt. Möchten Sie sich umfassend absichern, sollten Sie also beide Systeme kennen und ggf. privat vorsorgen.
Was bedeutet volle und teilweise Erwerbsminderung?
Rechtlich wird zwischen voller und teilweiser Erwerbsminderung unterschieden und damit der Leistungsumfang und Rentenartfaktor bestimmt:
- Als voll erwerbsgemindert gilt, wer auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt weniger als drei Stunden täglich arbeiten kann. In diesem Fall kommt in der Regel die volle Erwerbsminderungsrente in Betracht.
- Teilweise erwerbsgemindert ist, wer noch mindestens drei, aber weniger als sechs Stunden täglich arbeiten kann. Dann besteht grundsätzlich ein Anspruch auf eine halbe Erwerbsminderungsrente.
Die Einstufung erfolgt anhand medizinischer Gutachten und realistischer Einschätzungen des Arbeitsmarktes. Sie beeinflusst auch den sogenannten Rentenartfaktor (volle EM = 1,0; teilweise EM = 0,5).
Krankenhauszusatzschutz – die beste Behandlung
Sollten Sie nach einem Unfall oder einer Krankheit länger im Hospital liegen, erhalten Sie mit dem Schutz der Krankenhauszusatzversicherung bessere Leistungen wie beispielsweise den Anspruch auf ein ruhigeres Zimmer oder die Visite durch den Chefarzt. So erhöhen Sie Ihre Chancen auf Heilung und die Wiederherstellung Ihrer Arbeitsfähigkeit.
Krankenhauszusatz-
schutz – die beste Behandlung
Sollten Sie nach einem Unfall oder einer Krankheit länger im Hospital liegen, erhalten Sie mit dem Schutz der Krankenhauszusatzversicherung bessere Leistungen wie beispielsweise den Anspruch auf ein ruhigeres Zimmer oder die Visite durch den Chefarzt. So erhöhen Sie Ihre Chancen auf Heilung und die Wiederherstellung Ihrer Arbeitsfähigkeit.
Wo stelle ich den Antrag auf Erwerbsminderungsrente?
Den Antrag stellen Sie bei Ihrem zuständigen Rentenversicherungsträger – das geht online, per Post oder persönlich. Die Formulare können Sie auf der Website der Deutschen Rentenversicherung (DRV) herunterladen. Neben dem Hauptantrag sind diverse Anlagen auszufüllen und beizufügen. Sammeln Sie vorab ärztliche Befunde, Entlassungsberichte und Angaben zu behandelnden Ärzten: Diese Unterlagen beschleunigen die Prüfung und sind Teil des Antragsprozesses.
Da die Antragsformulare im typischen Bürokratendeutsch verfasst und nicht immer gut verständlich sind, nehmen Sie am besten einen Beratungstermin bei der DRV wahr. Eine entsprechende Stelle oder ein ehrenamtlicher Versicherungsältester findet sich in der Regel in Ihrer Nähe. Die fachkundigen Berater helfen Ihnen beim Ausfüllen des Antrags auf Erwerbsminderungsrente.

Höhe und Berechnung der Erwerbsminderungsrente
Die Rentenhöhe wird nach der bekannten Rentenformel aus Entgeltpunkten und weiteren Faktoren ermittelt, das Ergebnis ist individuell sehr unterschiedlich. Konkret berechnet sich die monatliche Leistung aus der Formel
Entgeltpunkte × Zugangsfaktor × aktueller Rentenwert × Rentenartfaktor.
- Die Entgeltpunkte spiegeln Ihre bisherigen Verdienste relativ zum Durchschnittsverdienst wider. Zurechnungszeiten können bei frühem Rentenbeginn fiktive Entgeltpunkte bis zur Regelaltersgrenze berücksichtigen und so die Rente erhöhen.
- Der Zugangsfaktor berücksichtigt Abzüge beim vorzeitigen Rentenbeginn.
- Der aktuelle Rentenwert ist der Euro-Wert eines Rentenpunkts. 2025 beträgt er 40,79 Euro (Stand: Anpassung 1. Juli 2025).
- Der Rentenartfaktor unterscheidet zwischen voller Rente (1,0; volle Erwerbsminderung) und halber Rente (0,5; teilweise Erwerbsminderung).
Anhand unseres praktischen, vereinfachten Beispiels lässt sich grundsätzlich nachvollziehen, wie Sie die Erwerbsminderungsrente berechnen.
Angenommen, ein Versicherter verfügt über 20 Entgeltpunkte und es liegt eine volle Erwerbsminderung vor. Dann ist der Rentenartfaktor = 1,0, der Zugangsfaktor = 1,0 und der aktuelle Rentenwert = 40,79 Euro.
Die Rechnung lautet: 20 × 1,0 × 40,79 × 1,0 = 815,80 Euro brutto pro Monat.
In der Praxis kommen bei der Berechnung der Erwerbsminderungsrente viele weitere Einflussfaktoren dazu, etwa Abschläge, Zurechnungen sowie Steuer- und Krankenversicherungsabzüge. Ein fiktives, praxisnahes Beispiel mit vereinfachten Werten und folgenden Annahmen veranschaulicht die Kalkulation:
- Alter bei Rentenbeginn: 45 Jahre (Eintritt der vollen Erwerbsminderung: 01.01.2025)
- Tatsächliche Beitragsjahre: 20 Jahre mit je 1,0 Entgeltpunkten = 20,0 EP
- Durchschnittliche jährliche Entgeltpunkt‐Gutschrift (fiktiv): 1,0 EP/Jahr
Schritt | Erläuterung | Wert |
---|---|---|
1. Beitragszeiten | 20 Jahre × 1,0 EP | 20,00 EP |
2. Zurechnungszeit (2025) | Zurechnung bis 66 Jahre und 2 Monate (bei Rentenbeginn 2025) = 21 Jahre 2 Monate, ca. 21,17 Jahre × 1,0 EP | 21,17 EP |
3. Gesamt-Entgeltpunkte | 20,00 + 21,17 | 41,17 EP |
4. Zugangsfaktor (Abschlag) | maximaler Abschlag bei vorzeitigem Bezug = 10,8 %, also Faktor 0,892 | 0,892 |
5. Rentenartfaktor | volle Erwerbsminderung = 1,0 | 1,0 |
6. Aktueller Rentenwert | Wert pro Entgeltpunkt (Stand 01.07.2025) | 40,79 Euro |
7. Bruttorente (Rechnung) | 41,17 × 0,892 × 1,0 × 40,79 Euro | 1.497,84 Euro brutto/Monat |
8. Nettorente (vereinfacht) | Abzug KV/PV-Beiträge (angenommen ca. 11 %) | ca. 1.333 Euro netto/Monat |
Für eine individuelle Kalkulation der Höhe Ihrer Erwerbsminderungsrente können Sie einen verlässlichen Online-Rentenrechner nutzen.
Erwerbsminderungsrente und Nebenjob – das gilt
Wer eine Erwerbsminderungsrente erhält, darf grundsätzlich hinzuverdienen. Die zulässigen Beträge und die Anrechnung unterscheiden sich aber je nach Einstufung. Für Personen mit voller Erwerbsminderungsrente gilt eine kalenderjährliche Mindest-Hinzuverdienstgrenze, die sich am Durchschnittsentgelt orientiert. Für das Jahr 2025 wurde diese Grenze auf 19.661,25 Euro festgelegt. Wird diese Grenze überschritten, kann ein Teil des Hinzuverdienstes auf die Rente angerechnet werden. Die konkreten Abzüge werden dabei individuell berechnet.
Bei teilweiser Erwerbsminderung ist das Restleistungsvermögen bereits in der Rentenbemessung berücksichtigt. Die Mindest-Hinzuverdienstgrenze liegt 2025 mindestens bei 39.322,50 Euro, ist aber wiederum individuell zu berechnen und hängt u. a. von Ihren zuvor erzielten Entgeltpunkten ab.
Die Hinzuverdienstgrenze gilt kalenderjährlich und steigt jährlich zum 1. Januar. Sie lässt sich durch besondere Regelungen, z. B. Probezeiträume für gelegentliche Mehrarbeit, erhöhen – klären Sie vor Aufnahme einer Nebentätigkeit die konkreten Werte mit der DRV.

7 Tipps zur Erwerbsminderungsrente
Mit guter Planung erhöhen Sie die Chance auf eine faire Prüfung und vermeiden unnötige Fehler bei Antrag und Nachweisen für die Erwerbsminderungsrente.
- Sammeln Sie frühzeitig alle relevanten Unterlagen wie ärztliche Befunde, Reha-Berichte, Nachweise über Beitragszeiten und Pflege- bzw. Kindererziehungszeiten.
- Nutzen Sie für die Antragstellung die Beratungsstellen der Deutschen Rentenversicherung oder Sozialverbände (z. B. VdK, SoVD) – Sie helfen Ihnen beim Ausfüllen und Einreichen.
- Haben Sie alle Reha-Maßnahmen ausgeschöpft? Im Normalfall prüft die Rentenversicherung zuerst, ob medizinische oder berufliche Rehabilitation eine Alternative zur Rente ist.
- Wer noch eingeschränkt arbeiten kann, sollte auch prüfen, ob die teilweise Erwerbsminderungsrente mit einem Nebenjob kombinierbar ist.
- Sorgen Sie privat vor: Eine Berufsunfähigkeitsversicherung oder private Erwerbsunfähigkeitsversicherung kann finanzielle Nachteile abfedern.
- Prüfen Sie die regelmäßige Renteninformation, um die Höhe der Erwerbsminderungsrente realistisch einschätzen zu können.
- Beachten Sie die gesetzlichen Fristen und stellen Sie Anträge und Widersprüche rechtzeitig.
Die Erwerbsminderungsrente ist nur die halbe Vorsorge
Die gesetzliche Erwerbsminderungsrente schützt Sie zwar vor einem finanziellen Desaster, hat aber klare Grenzen. Zu den typischen Nachteilen gehört, dass die Erwerbsminderungsrente häufig deutlich unter dem bisherigen Nettogehalt liegt, dass Abschläge oder Abzüge die Leistung reduzieren können und dass Hinzuverdienstregelungen die Aufnahme von Nebenjobs beschränken oder die Rente mindern können. Außerdem können Wartezeiten und Nachweispflichten dazu führen, dass ein Antrag nicht sofort oder nur teilweise erfolgreich ist – möchten Sie Engpässe vermeiden, sollten Sie frühzeitig private Vorsorge treffen und bei der Antragstellung alles sorgfältig dokumentieren.
Die Berufsunfähigkeitsversicherung ist eine wichtige persönliche Vorsorge für Angestellte und vor allem auch Selbständige. Lesen Sie, welche Versicherungen für Selbständige noch wichtig sind. Und auch Familien mit einem Hauptverdiener schützt sie vor dem finanziellen Ruin. Wir haben alles Wissenswerte über Partnerversicherungen für Sie zusammengestellt.
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